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/ 20.Juni 2025

Drei Fragen an Julia Hainz & Carmen Westermeier

Licht und Schatten werfen ein rasterartiges Muster auf eine strukturierte Oberfläche und erzeugen ein abstraktes Spiel aus Formen und Tiefen.

The Symbiotic Approach ist ein performatives Forschungsprojekt von Julia Hainz und Carmen Westermeier. Ihre eigens entwickelte künstlerischen Methode macht ortsspezifische Machtverhältnisse sichtbar und geht von der physiognomischen und funktionalen Differenz aus, in der Körper in einer auf Normierung ausgerichteten Gesellschaft gelesen werden.

Die Performance spuma — scūm — stroma, entwickelt für das Festival CURRENT, nutzt den ehemaligen Luftkurort “Luftbad” in Degerloch als atmosphärisch aufgeladenen Spielort. Ausgehend von Lynn Margulis’ Idee der Symbiose als Grundlage allen Lebens, setzen die Künstler*innen Mikroorganismen, Menschen und Umwelt in Beziehung. Die Performance lädt dazu ein, das Unsichtbare zu spüren – in einem kollektiven Luftbad aus Atem, Schaum und geteiltem Raum.

1. Eure Performance basiert auf Lynn Margulis’ Idee der Symbiose als grundlegendes Prinzip des Lebens. Was bedeutet Symbiose für euch und wie übertragt ihr diesen biologischen Begriff in eine performative Praxis?

In der Biologie steht der Begriff Symbiose für das Zusammenleben mehrerer Individuen, das für alle von Vorteil ist. Wir beide arbeiten schon seit über 10 Jahren zusammen, uns dabei gegenseitig zu unterstützen, spielte immer eine große Rolle. Bereits im Studium hat unsere Praxis als Duo uns Methoden und Wege geöffnet, die wir alleine nicht begehen konnten oder wollten. Zum Beispiel vom zweidimensionalen Arbeiten ins Zeitbasierte, Performative zu kommen, uns zu inszenieren und unsere Körper als Medium zu begreifen. Dabei spielte eine explizite Behandlung des Phänomens der Symbiose nicht von Anfang an eine Rolle, es kam viel mehr im Laufe zu einer Feststellung: Unsere beiden Köper bringen sehr unterschiedlich Merkmale mit, die gerade in Performances, Videoarbeiten und Fotografie nicht ungelesen bleiben. Wir standen immer wieder vor dem Problem, wie wir es schaffen können, dass unsere Körper nicht immer im Vergleich bewertet werden – bewusst oder unbewusst. Wir haben dies deswegen irgendwann zum Ausgangspunkt genommen und angefangen Performance Scores zu entwickeln, bei denen wir uns gegenseitig und vor allem gleichberechtigt brauchen. In der Genese unserer künstlerischen Praxis griffen wir immer wieder auf biologische, medizinische oder andere wissenschaftliche Theorien oder Gegenstände zurück, so kam es auch in der Beforschung dieser Problemstellung, dass wir bei dem Begriff der Symbiose und Lynn Marulis’ Symbiogenese gelandet sind. Wie auch wir in unseren künstlerischen Arbeiten es tun, fordert die Symbiogenese-Theorie auf den Blick nicht nur auf einen einzelnen symbiotischen Prozess zu legen, sondern auf das Erzählen unserer Entstehungsgeschichte. Ein Zoom Out - Zoom In - Zoom Out…

2. Für die Performance nutzt ihr eure Körper als auch Apps, 3D-Scans und Hologramme.Wie versteht ihr das Verhältnis zwischen Körper und Technologie und welche Rolle spielen dabei leicht zugängliche, günstige oder kostenfreie Apps?

Wir sehen Technologien nicht als etwas, das vom Körper getrennt gedacht werden kann, weil sie immer schon bestimmen, wie wir uns körperlich wahrnehmen. Welche Ambivalenz davon ausgeht, kann man beispielsweise bei 3D Technologien sehr gut nachvollziehen. Wir verwenden beispielsweise LIDAR, eine Technologie, die Laserstrahlen nutzt, um Entfernungen zu messen und 3D Modelle zu erstellen. LIDAR wurde ursprünglich zur Geländekartierung für die Luft- und Raumfahrt eingesetzt und wurde schnell auch für militärische Zwecke nutzbar gemacht. Wir eignen uns diese Technologie an und versuchen gezielt Glitches (Fehler) zu erzielen, indem wir bestimmte Apps auf eine andere Weise nutzen, als sie programmiert wurden. Wir setzen dabei gezielt auf Überlagerungen zwischen dem digitalen Raum und live performenden Körpern, um Unterbrechungen zu provozieren. Auf der einen Seite erweitern wir unsere körperlichen Grenzen in den unendlichen digitalen Raum, auf der anderen Seite zeigen wir gleichzeitig das Scheitern und die Verletzlichkeit unserer live performenden Körper. Mit leicht zugänglichen Apps zu arbeiten ist uns dabei besonders wichtig, weil wir TSA als eine Methode etablieren wollen, die sich wie eine Open Source Strategie ausbreiten kann. 

3. Das Luftbad wird zum Ort der Performance. Wie beeinflusst der Raum die Performance und welche Rolle spielt der öffentliche Raum für euer künstlerisches Praxis generell?

Als Künstler*innen die fast ausschließlich ortsspezifisch arbeiten, entsteht auch die Performance im Luftbad nur im unmittelbaren Austausch und in Verhandlung mit dem physischen Raum. Grundsätzlich ist der Raumbegriff ein kontinuierliches Aushandlungsfeld in unserer Kunst und Recherche, und wir gehen dabei weit über den physischen Raum hinaus. Der erste Gedanke zu Raum ist natürlich oft der Ort, aber für uns spielt der virtuelle, der metaphysische, der soziale Raum gleichwertig eine Rolle. Das bringt so einige Gedankenspagate mit sich und ist immer wieder ein changierender Prozess zwischen Formalem und Inhaltlichem. 

In unseren Proben- und Produktionsprozessen, wie zB auch beim Luftbad in den letzen Tagen konnten wir die Dynamiken des sozialen Raum während der Liveperformance im Juli nur denken, den physischen konnten wir erleben, wobei sich dieser ebenfalls nicht 1:1 proben lässt. Auch der Ort wird sich am Festivaltag verändern.

Arbeiten und Auseinandersetzungen mit dem öffentlichen Raum wurden vor allem in den letzten Monaten immer relevanter für unsere Praxis, so verlagerten wir Teile einer Performance in Frankfurt auf den Eingangsbereich des Ausstellungsraums oder arbeiten an Konzeptionen für performative Arbeiten außerhalb geschlossener, dezidierter Kunsträume. In der gesamten Genese unserer gemeinsamen Arbeit ist das auch ein ziemlich logischer Weg. Wir freuen uns auf jeden Fall im Juli im Luftbad eine neue performativ, installative Arbeit im öffentlich Raum zeigen zu können! 

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